Ihr wisst, dass ich mich nun seit geraumer Zeit mit gesunder Ernährung und meinem Körper beschäftige. Ich habe bereits so einiges darüber gelesen und kenne ich mich immer besser aus. Ich weiß, welches gute, natürliche Nahrungsmittel sind und welche ich eher meiden sollte. Dieses Wissen, welches sich auch tagtäglich erweitert, versuche ich in meinem Alltag konsequent umzusetzen. Doch das ist einfacher gesagt bzw. gelesen als getan. Der innere Schweinehund meiner Ernährung ist oft viel präsenter, als mir lieb ist!
Zunächst einmal muss ich eingestehen, dass ich ein sehr perfektionistischer Mensch bin. In meinem Kopf ist es verankert: „Wenn ich etwas mache, dann richtig! Und zwar zu 110 Prozent!“ Dieses Denken habe ich auch bei meiner Ernährung. Irgendwo in meinem Gehirn herrscht dieses Bild einer perfekten Ernährung für meinen Körper vor. Natürlich weiß ich, dass es niemals absolut perfekt umzusetzen ist, aber ich möchte mich nah rantasten. Diese Einstellung ist nicht immer einfach, weil sie in mir zum Teil ganz schönen Druck durch die hohen Erwartungen aufbauen kann, aber sie hilft mir auch bei vielen Dingen fokussiert am Ball zu bleiben. Sie beschert mir sehr hohe Willenskraft! Bei meiner täglichen Ernährung führt diese Willenskraft dazu, dass ich gute Entscheidungen treffe, weil ich es einfach will. Ich suche mir in der Kantine die gesunde Variante mit Salat heraus oder stehe eben morgens um 6.30 Uhr in der Küche und bereite mir einen grünen Smoothie zu. Das macht mich stolz!
Der Perfektionismus hat jedoch auch einen starken Gegenspieler – den inneren Schweinehund meiner Ernährung! Dieser Schweinehund ist echt gemein! Er ist schlau, er weiß, wie er mich manchmal beeinflussen kann und im Grunde ist er einfach nur ein unbewusster Teil von mir, der dafür sorgt, dass ich mich eben manchmal nicht so gut ernähren, wie ich es gern möchte.
Am Freitag wieder ein schönes Beispiel: Wir sind in unserer Lieblingsgärtnerei, die zufälliger Weise Jubiläum hatte. Ich habe bei einem Gärtnereibesuch vorab nicht die Bohne an essen gedacht. Zum Jubiläum stand dort aber ein Wagen, auf dem ein Mann frische, gebrannte Mandeln zubereitet. Es duftete herrlich und normalerweise stehst du genau bei diesem Mann auf dem Weihnachtsmarkt mindestens eine halbe Stunde an, um an gebrannte Mandeln zu kommen. Hier waren sie quasi nur für dich frisch und heiß zubereitet. Natürlich konnte ich nicht daran vorbeigehen! Also habe ich mir mit meinem Freund eine halbe Tüte frische, gebrannte Mandeln geteilt. Ich habe zugeschlagen, als wenn dies die letzte Tüte mit Mandeln in meinem Leben wäre, statt sie zu genießen. Hinterher war zwar mein Schweinehund so richtig glücklich, aber meine andere Stimme im Kopf hat den drohenden Zeigefinger erhoben und mich böse angeschaut. Danach ging es mir natürlich nicht mehr so gut.
Also habe ich mir mal Gedanken gemacht, was und wie mich eigentlich dieser Schweinehund beeinflusst. Dabei habe ich so einige Situationen identifiziert, in denen seine Macht am stärksten wirkt.
1. Ungeplante Gelegenheiten:
Genau die Mandel-Situation. Ich hatte mir gar keine Gedanken über Essen gemacht und die Gelegenheit war einfach perfekt. Hätte ich zum Beispiel vorgehabt, abends noch ein leckeres gesundes Essen zu essen und sagen wir mal einen leckeren Tofu-Schokopudding zuzubereiten, dann hätte meine Willenskraft mich vielleicht von den Mandeln abbringen können. Aber so habe ich mich der Versuchung völlig unvorbereitet gegenüber gefühlt.
2. Mit Hunger irgendwo hingehen, wo es fertige Essenssachen gibt:
Wenn ich zum Beispiel mit Hunger in die City gehe, warten dort viele Verlockungen auf mich. Natürlich gibt es dort eher Fast Food etc. als gesunde, frische Gerichte. Dann bin ich viel anfälliger für diese zum Teil lecker riechenden Bad-Foods.
3. Mit Freunden und Co. essen gehen:
Das Essengehen mit Freunden, die vielleicht auch nicht wissen, dass ich mich möglichst clean ernähre, ist ebenfalls eine große Verlockung. Ich schaue dann in die Speisekarte und suche mir meist ganz vernünftig einen Salat oder ähnliches aus. Gleichzeitig denke ich aber: „Hm, ich könnte ja auch mal wieder dies und das nehemen.“ (Natürlich nicht clean!) Dann sehe ich, dass die anderen teilweise noch viel schlimmere Dinge bestellen und schwups bin ich „umgefallen“ und bestelle, die nicht-clean Variante, die mich auf der Speisekarte so angelächelt hat. Ebenso kommt beim Essengehen dazu, dass die anderen ja meisten meiner Freunde auch mal ein Gläschen Alkohol trinken und dann schließe ich mich eben doch öfter an, als ich das eigentlich möchte.
Diese Effekte treten aber seltsamerweise nur auf, wenn ich in einer größeren Gruppe essen gehe. Bin ich zum Beispiel nur mit einer Freundin essen, dann bleibe ich auch meist bei meinem Salat und trinke keinen Alkohol.
4. Es steht auf dem Tisch:
Mein Schweinehund ist auch besonders stark, wenn die ungesunden Dinge wie Süßigkeiten etc. offen auf dem Tisch stehen. Bei meinen Eltern ist das zum Beispiel häufig so. Immer wenn ich zu Besuch bin, dann gibt es meist einen Espresso/Kaffee (das geht ja noch) und es steht irgendeine gemeine Süßigkeit auf dem Tisch. Anfangs denke ich mir noch, dass ich dieses Mal auf keinen Fall zugreifen werde!! Komme was wolle! Im Laufe unseres Gespräch habe ich dann schon so einige Male beobachtet, wie meine Hand völlig unbewusst – als hätte sie ein Eigenleben – doch zugreift.
Diese herauskristallisierten Situationen sind jetzt keine absolut neuen Erkenntnisse. Dennoch ist es interessant, sie sich einmal ganz bewusst zu machen. Man holt sie aus damit aus dem Unterbewusstsein heraus und fühlt sich zumindest gedanklich wieder Herr der Lage. Denn all die beschriebenen Situationen sind Beispiele dafür, wie unser Unterbewusstsein arbeitet. Es sind alles Situationen aus unserem täglichen Leben, die wir schon hunderte Male erlebt haben und in denen wir uns fast genauso oft für die schlechte Alternative entschieden haben. Wir denken also in diesen Situationen nicht mehr nach, sondern tun das, was wir auch vorher bereits getan haben. Und es ist ja nicht so, dass es uns vorher mit diesen Entscheidungen schlecht gibt! Wir haben die gebrannten Mandeln, die Enchiladas statt des Salates im Restaurant sowie die Kekse auf dem Tisch genossen. Somit waren es für unser Gehirn gute Entscheidungen und genauso hat es dies abgespeichert. In den typischen Situationen des Alltags braucht unser Gehirn damit also nicht mehr aktiv darüber nachdenken, sondern führt einfach sein altes Handlungsmuster aus. Ganz unabhängig davon, ob wir gerade eine Ernährungsumstellung vollziehen oder nicht!
Dementsprechend ist die Macht des Schweinehundes eigentlich nicht mehr als ein altes, gelerntes Programm in unsere Kopf, das unbewusst abgespult wird. Es ist nichts, was uns ärgern will oder was den „schlechten Teil“ in uns hervorbringt! Im Gegenteil: Früher hat es uns geholfen, dass wir nicht über jede Entscheidungssituation aktiv nachdenken mussten, was Kapazitäten spart. Dagegen ist eine Ernährungsumstellung – wie jede Veränderung an uns – Schwerstarbeit für unser Gehirn und zum Teil auch für unseren Körper. Es braucht viel Zeit, bis neue oder vergessene Geschmäcker gelernt sind, bis neue Ernährungsroutinen entstehen, bis wir Lust auf einen Obstsalat statt auf Schokolade haben etc. Doch mit der Zeit wird sich die unbewusste Software namens Schweinehund verändern, sie wird umgeschrieben, wenn wir uns dauerhaft bemühen, gesund und natürlich zu essen.
Ich ertappe mich dabei schon manchmal. Letztens habe ich zum Beispiel zum Abendessen mal wieder ein Glas Saftschorle getrunken und festgestellt, dass mir das gar nicht mehr so geschmeckt hat wie früher. Ich hatte das Verlangen nach einem Glas Mineralwasser. Schön, oder? Ich freue mich über solche Situationen, denn sie zeigen, dass mein Programm im Kopf langsam umgeschrieben wird!