Die Reise zum eigenen Ich ist ein langer, langer Weg.
Auf diesem Weg war das Selbstfindungsseminar „Balance“, welches ich letzte Woche besucht habe, ein wunderbarer Baustein. Ich habe das große Glück, dass solche „Selbstfindungsseminare“ durch meinen Arbeitgeber kostenlos angeboten werden. Und ich nehme dieses Angebot auch wirklich gern an! Nichts ist schöner, als etwas über die eigene Persönlichkeit zu lernen und mit diesem Wissen ein glücklicheres Leben führen zu können.
Grundsätzlich ging es in diesem speziellen Seminar darum, die eigene Work-Life-Balance zu finden. So steht es in der Seminarbeschreibung. Aber ich habe erst vor Ort gemerkt, wie bedeutungsleer dieser Begriff doch eigentlich in unserer heutigen Arbeits- und Lebenswelt ist. Für mich war dieses Seminar weit mehr als nur „Work-Life-Balance“, denn ich habe so einiges über meine Persönlichkeit gelernt und vertieft, das mir definitiv weiterhelfen wird.
Das Seminar war auf 3 Tage und 3 Stufen verteilt. Am ersten Tag haben wir uns die Vergangenheit angeschaut (für mich immer der schwierigste Teil), am nächsten Tag die Gegenwart und am letzten Tag die Zukunft. Ich konnte von jedem Tag etwas mitnehmen, wofür ich sehr dankbar bin.
Eine Übung des Vergangenheitstages war es meine bisherige berufliche Laufbahn auf einem großen Chart aufzumalen. Mit allen Erinnerungen, Emotionen etc., die mich geprägt haben. Eine grandiose Übung! Erst saß ich vor dem leeren Blatt und wusste nicht, was und wie ich es malen sollte. Aber nach ein paar Minuten hat sich meine Hand mit den Wachsmalern verselbstständigt und es ist eine sehr persönliche Zeitleiste entstanden. Mir wurde durch das Bild und die Gespräche dazu klar, wie viel Wert ich in meiner Vergangenheit auf ein „straightes“ Erscheinungsbild gelegt habe. Ob es mir dabei gut ging oder ob ich glücklich war, das spielte keine Rolle. Hauptsache positiv auffallen und vorankommen. Ich habe nicht gemerkt, wie sehr ich mir damit geschadet habe und vor allem, wie eingeschränkt mein (Er-)Leben dadurch geworden ist. Eine triviale Weisheit, die einer unserer Trainer dazu gesagt hat, war: „Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“ Ja, genau das ist es! Ich habe bisher keine Umwege gemacht, sondern bin einfach straight meinen Weg gegangen. Ich habe weder nach links oder nach rechts noch in mich hinein geschaut. Dabei habe ich außerhalb meines großen Plans fast nichts von der Welt da draußen mitbekommen. Das weiß ich jetzt und am Ende des Seminartages konnte ich das auch so einigermaßen neutral hinnehmen.
Der Gegenwartstag war für mich sehr aufrüttelnd, da wir unser Testergebnis für den Persönlichkeitstest bekommen haben. 250 Fragen zu unserer Arbeitseinstellung waren dafür zu beantworten. Das Testergebnis habe ich mit einer Mischung aus „Das ist typisch für mich“ und „Oh man wie erschreckend“ entgegengenommen. Der Test zeigte mir ganz klar, dass mein Selbstbild in vielen Punkten viel zu negativ ist: Selbstbewusstsein, Belastungsfähigkeit, Diskussionsfähigkeit etc.! Wenn ich andere Menschen frage, – ob im beruflichen oder privaten Umfeld – höre ich immer wieder dieselben Aussagen: Es wird bewundert, wie selbstsicher ich auftrete, wie gut ich meine Meinung vertrete oder wie belastbar ich doch bin (als ich z.B. noch berufsbegleitend studiert habe). Diese Fähigkeiten werden im Fremdbild als hoch ausgeprägt empfunden, wogegen ich sie als meine Schwächen wahrnehme. Kurz um: Selbstbild und Fremdbild weichen bei mir extrem voneinander ab. Ich werde für selbstsicherer, belastbarer etc. gehalten, als ich mich eigentlich fühle. Das war sehr erschreckend für mich! Ich wusste schon immer, dass ich sehr selbstkritisch bin, aber mir war nicht bewusst, wie sehr sich das auf die Einschätzung von Persönlichkeitsmerkmalen bei mir auswirkt. Der Grund dafür war schnell identifiziert: Meine Vorstellungen davon, was z.B. besonders durchsetzungsfähig oder besonders selbstsicher bedeutet, sind übertrieben (unrealistisch?) hoch angesetzt. Diesen Vorstellungen kann ich – insbesondere auf der Arbeit – gar nicht gerecht werden. Dabei schwächte der Glaube an diese Vorstellungen auf lange Sicht mein Selbstbewusstsein! Im Seminar wurde mir genau das schwarz-auf-weiß vor Augen geführt.
Doch auch an diesem recht harten Tag hatte ich eine wunderbare, positive Erkenntnis. Wir haben uns mit den 7 Säulen des Ichs beschäftigt (Körper/ Gesundheit, Finanzielles, Familie/ Partner, Freunde, Arbeit, Hobbys/ Freizeit und Werte/ Einstellungen). All diese Säulen stützen unsere Persönlichkeit. Wir sollten dabei bildlich aufmalen, wie stark die einzelnen Säulen sind. Mir wurde bei dieser Übung erst bewusst, wie ausgeglichen meine 7 Säulen mittlerweile im Vergleich zum Vorjahr sind. Und das ist allein mein Verdienst! Ich habe mich viel um meinen Körper gekümmert (Sport/ Ernährung), habe mehr Zeit in meine Partnerschaft und Freundschaften investiert, ich habe mir neue Hobbys gesucht und meine Selbstfindungsreise begonnen. Gleichzeitig habe ich die damalige tragende Säule (Arbeit) in ihrer Bedeutung für mich heruntergefahren. Als ich das vor Augen gesehen habe (ich bin übrigens ein visueller Mensch, das weiß ich jetzt auch), war ich sehr stolz auf mich!
Der dritte Tag hat mir thematisch am Besten gefallen. Er richtete sich auf die Zukunft. Ich mag es nach vorn zu blicken. Dabei meine ich nicht 1-2 Jahre nach vorn, sondern eher die ganz nahe Zukunft. Ganz nach dem Motto: „Gib jedem Tag die Change, der schönste deines Lebens zu werden!“ Und dieser Tag war definitiv schön. Wir haben morgens meditiert!!! Ich war in meinem Element und habe es absolut genossen, mich mit unserem Trainer über seine Meditationserfahrung auszutauschen. Das war bislang der „Knackpunkt“ bei mir. Ich habe zwar meditiert, aber ich kam mir so allein damit vor. Mir hat der Erfahrungsaustausch/ das „Drüberreden“ gefehlt! Ich muss ihn unbedingt noch mal nach seinen Literaturempfehlungen dazu fragen. Vielleicht liest er aber auch persönlich mit?! :-)
Ich habe in den vorherigen Tagen viel über mich erfahren. Ich wusste aber nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte. Der Zukunftstag hat mir noch mal den richtigen Dreh gegeben.
Wir haben uns mit unseren Zielen und dem Prozess der Zielgestaltung beschäftigt. Ich habe nun besser verinnerlicht, wie genau ich Ziele auswähle und gestalte (weg von den unrealistischen Vorstellungen). Ebenso habe ich mir über das Setzen von kleinen Zielen viele Gedanken gemacht. Bisher habe ich eher in großen Zielen gedacht und habe mich auf dem Weg dorthin oft hilflos und wenig bestätigt gefühlt. Ich hatte keine kleinen Erfolge und die großen waren letztendlich nur „Pflichterfüllung“. Jetzt weiß ich den Vorteil von kleinen Zielen/ Meilensteinen und ihre Erreichung definitiv zu schätzen.
Nach diesen drei Tagen auf dem Weg zur Balance stand mir mein Ziel für die Zukunft ganz klar vor Augen. Es ist die Quintessenz aus allen einzelnen Erkenntnissen.
ICH WERDE WOHLWOLLENDER AUF MICH SCHAUEN UND LIEBEVOLLER MIT MIR SELBST UMGEHEN!
Dieser Gedanke wird von einem englischen Begriff, den die Psychologin Kristin Neff geprägt hat, wunderbar zusammengefasst: SELF-COMPASSION.
Ich bin vor meinem Urlaub bereits darauf gestoßen und war sofort angetan von der Vorstellung dieses Begriffs bzw. dieser Lebenseinstellung. Sie ist so logisch und klar verständlich und trotzdem verhalten sich die wenigsten Menschen, die ich kenne, entsprechend. Und ich bin ganz vorn mit dabei!
Seit der ersten Begegnung mit diesem Begriff schwebte er des öfteren schon durch meinen Kopf, aber er hatte bislang keinen Nährboden gefunden ….keine Notwendigkeit, sich weiter zu verfestigen. Das sieht jetzt anders aus! SELF-COMPASSION wird mein Thema für die kalte, nachdenkliche Jahreszeit! Das Seminar hat mir den Anstoß dafür gegeben! Schon allein deswegen hat es sich gelohnt…
Als Einstimmung auf das Thema Self-Compassion schaut euch unbedingt mal dieses kurze Interview von Kristin Neff an. Mich hat es sehr inspiriert.
Ihr werdet also in den nächsten Wochen ganz sicher mehr über Self-Compassion auf meinem Blog lesen können. Ich halte den Gedanken für so wertvoll, dass ich ihn weiter verbreiten möchte. Ebenso freue ich mich immer über einen Erfahrungsaustausch mit euch! Vielleicht kennt ihr den Begriff bereits und lebt danach?! Ich bin sehr gespannt! :-)
Alles Liebe Kristin